CDU-Europaabgeordneter Brok befürwortet Visafreiheit für Türken

Erdogans Problemlöser

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, hat eine möglicherweise bevorstehende Erteilung der Visafreiheit für türkische Bürger in der EU grundsätzlich befürwortet. „Durch die Verpflichtung, dass türkische Bürger künftig einen biometrischen Pass vorzeigen müssen, haben wir ein erhöhtes Maß an Sicherheit“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel“ zur Begründung. Der Tagesspiegel

CDU-Europaabgeordneter Brok befürwortet Visafreiheit für Türken

Visafreiheit an sich ist eine prima Sache. Schon jetzt dürfen Menschen aus zig Ländern ohne große Formalitäten nach Deutschland einreisen. Wenn die Türken dies bald auch dürfen, ist das nur folgerichtig. Wenn da nicht der machtbesessene Präsident Erdogan wäre. Er betrachtet die Visafreiheit als Belohnung dafür, dass er den Europäern, vor allem den Deutschen, möglichst viele Flüchtlinge vom Leib hält. Und ganz nebenbei könnte Erdogan per Visafreiheit sein innenpolitisches Kurdenproblem lösen. Hunderttausende Kurden stehen in seinem Land unter großem Druck. Gut möglich, dass sie über die bald bequemere Ausreise nach Deutschland nachdenken.

Außerdem gibt es in der Türkei immer mehr Menschen, die durch den Staatsapparat verfolgt werden. Auch sie könnten bald leichter in Deutschland Asyl beantragen. „Flüchtlinge gegen Flüchtlinge“ lautet also der unanständige Handel. Soll bloß niemand von Moral und Anstand reden. Und es ist nur heuchlerisch, wenn jetzt ausgerechnet stramme Rechte gegen den Visa-Deal mit den Türken wettern. Es waren doch ausgerechnet sie, die die Flüchtlingszahlen drastisch reduzieren wollten. Überhaupt: Auslöser des üblen Geschachers ist diesmal nicht Erdogan, sondern es sind die europäischen Staatschefs, die es bislang nicht geschafft haben, die Flüchtlingsfrage einvernehmlich zu lösen.

Hätten sie im Herbst eine einigermaßen gerechte Verteilung der Kriegsflüchtlinge organisiert, dann müssten sie jetzt nicht vor dem Machthaber am Bosporus zu Kreuze kriechen. Mafred Lachniet, Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung

Nun könnte es sein, dass Menschen vom Bosporus hier in nennenswerter Zahl selbst Asyl beantragen. 11 000 anerkannte türkische Flüchtlinge gibt es in Deutschland bereits. In der Türkei selbst irren 400 000 meist kurdische Binnenflüchtlinge umher, da Erdogan den Kurdenkonflikt nicht ohne kriegerische Mittel lösen will. Für sich genommen ist die Visafreiheit aber kein Problem. Es geht um Erleichterungen bei Familienbesuchen und den ökonomischen Beziehungen. Der Erdogan gewährte Rabatt bei Menschenrechten, bei Meinungs- und Pressefreiheit ist schlimmer. Notfalls müsste Europa den Schritt später rückgängig machen. Nichts ist ewig. Mitteldeutsche Zeitung

Visafreiheit für die Türkei

Es ist eines jener Zerrbilder,mit denen Politiker so gerne Stimmung machen: Kaum wurde die Flüchtlingskrise gebannt, überschwemmen Millionen von Türken die EU, ausgestattet mit einem visafreien Reise-Dokument, das ihnen Zutritt zum gelobten Westen verschafft. Nichts dergleichen wird passieren. Und doch ist die Bedeutung dieses Schrittes, den die Brüsseler EU-Kommission am Mittwoch eingeleitet hat, kaum hoch genug einzuschätzen. Mit Recht hat die EU-Verwaltung auf irgendwelche Gnadenakte verzichtet. Da gibt es keine Rabatte und kein großzügiges Hinwegsehen über nicht erfüllte Bedingungen.

In Brüssel weiß man, dass die Visa-Liberalisierung zwar auch ein Versprechen ist, um sich für die Beteiligung Ankaras an der Lösung des Flüchtlingsproblems erkenntlich zu zeigen. Aber der Schritt bietet die Möglichkeit, das Land zur Demokratisierung seiner Strukturen zu zwingen. Dabei spielt der heiß ersehnte biometrische Reisepass bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Denn wer reist, wird kontrolliert. Seine Daten wandern an die Sicherheitsbehörden. Die müssen unabhängig und ohne Diktat der politischen Führung arbeiten können. Das ist für einen Staat wie die Türkei, der Polizei und Staatsanwaltschaft auch gegen missliebige Journalisten und Oppositionelle einsetzt, Neuland. Natürlich sind die Bedenken, die mancherorts in Europa gegen das völlige Öffnen der Türen für türkische Staatsangehörige gepflegt werden, nachvollziehbar.

Doch politisch hat die EU nun klargemacht, dass sie sich nicht von Ankara erpressen lässt, sondern im Gegenteil die Regierung von Premier Ahmet Davutoglu in die Pflicht nimmt. Der EU-Türkei-Pakt, geschmiedet zur Eingrenzung der Flüchtlingskrise als politische Chance? Das mag weit hergeholt klingen, wenn man sich die Menschenrechtsverletzungen am Bosporus, die Schläge gegen Presse- und Meinungsfreiheit oder die Gewalt gegen Kurden ansieht. Doch je näher die Türkei an die Union heranrücken will, je mehr muss sie ihre innenpolitischen Regeln und Vollzüge anpassen und ändern. Brüssel drängt mit der Unnachgiebigkeit, mit der man auf die Erfüllung aller Kriterien besteht, auf einen großen Schritt in Richtung freiheitlicher Demokratie. So viel Optimismus mag illusorisch klingen angesichts des Alltags am Bosporus und angesichts egomanischer Eskapaden eines Staatspräsidenten gegen Satiriker und Kulturschaffende auch anderswo.

Doch das System Erdogan hat längst Risse, wie der Machtkampf zwischen dem Staatschef und Davutoglu zeigt. In Brüssel weiß man, dass das Land auf einen Wendepunkt zusteuert. Die visafreie Einreise nach Europa macht das Gefälle zu der demokratischen Marktwirtschaft dieser Gemeinschaft kleiner. Das ist ein Zugewinn für beide Seiten - für die EU, weil sie einen strategisch wichtigen Partner an ihrer Flanke braucht. Westfalen-Blatt

Umsetzung des EU-Flüchtlingsabkommens laut Merkel erfolgreich

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