Anwälte beklagen: Zigtausend Quarantäneanordnungen in der Corona Pandemie sind unrechtmäßig und begründen Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz

Corona-Grenzkontrollen: Kommission pocht auf koordiniertes Vorgehen

Anwälte beklagen: Zigtausend Quarantäneanordnungen in der Corona Pandemie sind unrechtmäßig und begründen Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz

Die Kanzlei Rogert & Ulbrich aus Köln, die sich als Verbraucherschutzkanzlei versteht und mit dem Dieselabgasskandal bekannt geworden ist, reklamiert, dass zigtausend Quarantäneanordnungen während der Corona Pandemie unrechtmäßig ergangen sind. Dies begründe Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Dies betreffe insbesondere die Fälle, in denen Reiserückkehrer pauschal in Quarantäne geschickt worden sind und die Fälle, in denen eine häusliche Quarantäne nach möglichem Kontakt mit einem Corona-positiv Getesteten für gesunde Menschen angeordnet worden ist.

Tobias Ulbrich, Partneranwalt der Kanzlei Rogert & Ulbrich: „Reiserückkehrer pauschal in häusliche Quarantäne zu schicken ist Unsinn, denn die Reise als solche führt ja nicht zu einer Gefährdung, sondern nur eine höhere Anzahl von Kontakten mit potenziell Infizierten. Eine Reise beinhaltet aber nicht unbedingt eine höhere Anzahl von Kontakten mit Infizierten und damit ein höheres Risiko sich zu infizieren. Das muss individuell betrachtet werden, wird aber derzeit in den Corona-Verordnungen pauschal unterstellt. Das ist schlicht falsch und damit unrechtmäßig.“

Bereits im November 2020 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster für das Land Nordrhein-Westfalen eine pauschale Quarantäne für Reiserückkehrer aus Risikogebieten für unrechtmäßig erachtet (Az: 13 B 1770/20), insbesondere, da zu diesem Zeitpunkt der Inzidenzwert im Reiseland niedriger war als in Deutschland.

Der weitergehende Vorwurf, den die Kölner Anwälte jetzt erheben, erstreckt sich auf die fehlende Tatsachengrundlage (Bundesverwaltungsgerichts vom 22.3.2012, Az. 3 C 16.11, NJW 2012, 2823 ff), dass überhaupt keine Ermittlungen zu infektionsrelevanten Kontakten und zu einer Ansteckung angestellt wurden und dass die Quarantäne für Reiserückkehrer, auch wenn mit einem negativen PCR-Test feststeht, dass keine Infektion vorliegt, mindestens 5 -10 Tage bestehen bleibt. Das sei nicht nachvollziehbar, hier greife das Übermaßverbot.

Die andere betroffene Gruppe ist die der gesunden Kontaktpersonen von Corona-positiv Getesteten, die sogar 14 Tage in Quarantäne müssen. Eine Freitestung, also diese Quarantäne durch ein negatives PCR -Testergebnis zu verkürzen, besteht hier meist erst nach 10 Tagen.

Dr. Marco Rogert, Partneranwalt bei Rogert & Ulbrich: „Eine Quarantäne- Anordnung für Kranke und auf das Corona Virus positiv Getestete ist nachvollziehbar und richtig, aber für gesunde Menschen mit negativem PCR- Testergebnis ist eine solche Anordnung schlicht rechtswidrig. Stellt sich heraus, dass die Kontaktperson gesund war und geblieben ist, war nie ein Rechtfertigungsgrund gegeben, der derart massive Freiheitsbeschränkungen wie eine häusliche Quarantäneanordnung mit Bußgeldandrohungen bis zu 25.000 Euro rechtfertigen konnte. Für viele Menschen ist das ein Jahreseinkommen. Zudem droht bei Verstoß gegen die Absonderungsanordnung eine Einlieferung in eine geschlossene Einrichtung.“

Die Verbraucherschützer von Rogert & Ulbrich sehen in der Absonderung in der häuslichen Wohnung eine Freiheitsberaubung im Sinne von § 239 StGB und Pflichtverletzung im Sinne des § 839 BGB, die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche begründet.

Tobias Ulbrich: „Für jeden Tag erlittener Freiheitsbeschränkung fällt ein Schmerzensgeldanspruch für die betroffene Person an. Dazu können noch Ersatzansprüche wie zum Beispiel Verdienstausfall kommen. Eine Quarantäne zieht mannigfaltige psychische, soziale und existenzielle Auswirkungen nach sich, das muss Berücksichtigung finden. Die Ersatzansprüche, beginnend mit den Schmerzensgeldansprüchen, machen wir vor den Landgerichten vornehmlich gegenüber dem zuständigen Bundesland geltend.“

Je nach der Intensität der Beeinträchtigung im Einzelfall dürfte den Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 100,00 bis EUR 500,00 pro Quarantänetag und betroffener Person zustehen. Eine vierköpfige Familie käme bei Annahme von z.B. EUR 250,00/Tag auf EUR 14.000 für 14 Tage unberechtigter Quarantäne.

Jeder, der vor seiner Absonderungsanordnung -sei es nach einer Reiserückkehr oder nach einem von Behörden vermuteten Kontakt mit einem Corona- Infizierten gesund war, währenddessen gesund blieb und auch anschließend nicht erkrankte, hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Wer gesund in Quarantäne musste, sollte daher einen Anwalt zu Rate ziehen. Gerne prüfen wir von der Kanzlei Rogert & Ulbrich Ihren Anspruch.“¹

Angesichts der Wiedereinführung von Grenzkontrollen an der deutschen Grenze zu Tirol und der Tschechischen Republik dringt die Europäische Kommission auf eine grenzübergreifende Koordinierung. „Die Mitgliedstaaten haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, um mögliche Beschränkungen der Freizügigkeit aufgrund der COVID‑19-Pandemie koordiniert zu handhaben“, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Die gemeinsame Ratsempfehlung, die erst kürzlich wegen neuer Coronavirus-Varianten und hoher Neuinfektionszahlen aktualisiert wurde, sei für alle Mitgliedstaaten der Kompass. Die Kommission habe Deutschland aufgefordert, die Grenzkontrollen im Sinne der Ratsempfehlung umzusetzen, so der Sprecher.

In den Empfehlungen zu Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Freizügigkeit sind u.a. strengere Maßnahmen für Reisende aus „dunkelroten“ Gebieten vorgesehen, in denen das Virus – auch aufgrund der ansteckenderen besorgniserregenden Varianten – besonders stark verbreitet ist. So sollten Personen, die aus „dunkelroten“ Gebieten einreisen, von den Mitgliedstaaten verpflichtet werden, sich vor der Einreise auf COVID-19 testen zu lassen und sich in Quarantäne bzw. Selbstisolierung zu begeben.

Gleichzeitig sollten die Mitgliedstaaten bestrebt sein, Unterbrechungen des unbedingt notwendigen Reiseverkehrs zu vermeiden, die Verkehrsströme im Einklang mit dem „Green Lanes“-System aufrechtzuerhalten sowie Unterbrechungen der Versorgungsketten und der Bewegungsfreiheit von Arbeitnehmern und Selbstständigen, die aus beruflichen oder geschäftlichen Gründen reisen, zu vermeiden.

Für Beschäftigte im Verkehrssektor und Verkehrsdienstleister sollte die Testpflicht in der Regel nicht gelten. Werden sie von einem Mitgliedstaat dennoch dazu verpflichtet, sollten Antigen-Schnelltests verwendet werden.

„Die EU-Kommission ist besorgt über die jüngsten unilateralen Entscheidungen. Wir beobachten die Situation in allen Mitgliedstaaten und werden in Kürze mit Briefen nachfassen. Ich werde das Thema auch am 23. Februar bei der Videokonferenz der EU-Europaminister thematisieren“, so EU-Justizkommissar Reynders gestern (Sonntag) auf Twitter (link is external).

„Ohne ein koordiniertes Vorgehen der 27 Mitgliedstaaten riskieren wir eine Fragmentierung und Unterbrechungen der Freizügigkeit und der Lieferketten. Die EU ist effektiver, wenn die Mitgliedstaaten gemeinsam handeln, als 27, und nicht einseitig. Wir erwarten, dass alle Mitgliedstaaten diesem koordinierten Ansatz bei Reisebeschränkungen folgen, der auf dem gemeinsamen Farbcode basiert“, sagte der Kommissionssprecher heute weiter. „Wir sind auch der Meinung, dass die Mitgliedstaaten von nicht unbedingt notwendigen Reisen in und aus dunkelroten Gebieten abraten sollten. Aber Grenzschließungen oder pauschale Reiseverbote sollten vermieden werden. Die Kommission überwacht die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen laufend und genau.“²

¹Rogert & Ulbrich - Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB ²Europäische Union

DasParlament

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