Spitzelbehörde DITIB kann kein Partner sein

Spionageaffäre: Jeder Anstand ist verloren

Der türkische Moscheen-Verband steht in Deutschland unter Beobachtung. Die Reaktion der Regierung in Ankara hat nicht lange auf sich warten lassen. Die Bundesregierung hält trotz Spitzel-Affäre an Dialog mit der Ditib fest und sieht eine Überwachung des Islamverbands durch den Verfassungsschutz als nicht notwendig.

Spitzelbehörde DITIB kann kein Partner sein

Die Spionage-Vorwürfe gegen türkische Einrichtungen in NRW ziehen immer größere Kreise. So sollen Imame des Islamverbandes Ditib im Auftrag der Türkei Spitzeldienste gegen Lehrer und in Moscheegemeinden geleistet haben - die Bundesanwaltschaft ermittelt. Die Vorwürfe, die nun von der Gewerkschaft GEW kommen, klingen noch ungeheuerlicher: Lehrer, Eltern und Kinder sollen aufgefordert worden sein, ganze Schulen auszuspionieren. Hier bei uns in NRW. Auf Wunsch der Generalkonsulate.

Man stelle sich das vor: Eine Klasse beschäftigt sich aus aktuellem Anlass mit dem umstrittenen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim in Oberhausen. Ein Kind filmt, was Lehrer und Mitschüler dazu sagen und schickt diese Aufnahme an türkische Behörden. Eine grauenhafte Vorstellung.

Grauenhaft, weil der türkische Staat damit eine weitere Grenze überschreiten würde. Er hat allem Anschein nach schon Boykottaufrufe gegen türkeistämmige Einzelhändler unterstützt, Misstrauen in Moscheegemeinden gesät und Imame als Agenten eingesetzt. In Schulen hat dieser von Verfolgungswahn getriebene Staat nichts verloren. Wer sogar Kinder als Spione missbrauchen will, hat jeden Anstand verloren. Matthias Korfmann - Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Auch nach den Spionage-Vorwürfen gegen Imame der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) hält die Bundesregierung an der Zusammenarbeit mit dem größten islamischen Verband in Deutschland fest. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, betrifft dies sowohl die weitere finanzielle Förderung als auch die Teilnahme der Ditib an der Deutschen Islamkonferenz. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, die der Zeitung vorliegt, positioniert sich die Regierung ablehnend zu einer Überwachung der Ditib durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Die Vorwürfe der Spionage richteten sich „aktuell lediglich gegen von Diyanet nach Deutschland entsandte und bei Ditib eingesetzte Imame“.

Der Grünen-Politiker Volker Beck warf der Regierung zu große Nachgiebigkeit gegenüber der Ditib vor. Beck, religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, es fehle der Bundesregierung am Willen, „die Machtstrukturen innerhalb der Ditib zu durchdringen“ und die Mechanismen für die Steuerung des Verbands und seiner Unterorganisationen durch die türkische Regierung zu verstehen. Kölner Stadt-Anzeiger

Ditib-Landeschefs distanzieren sich von Erdogan

Der türkische Moscheen-Verband steht in Deutschland unter Beobachtung. Die Reaktion der Regierung in Ankara hat nicht lange auf sich warten lassen. Stiftungsexperte Aret Demirci berichtet über die Versuche seitens der türkischen Regierung, deutsche Stiftungen im Land unter Druck zu setzen. Der AKP-Abgeordnete Metin Külünk betreibt dieses Projekt besonders intensiv.

„Die deutschen Stiftungen müssen aufgrund geheimdienstlicher Aktivitäten beobachtet werden. Ich fordere die Staatsanwaltschaft zum Handeln auf“, verkündete Külünk bei einer Pressekonferenz unter freiem Himmel vor dem Deutschen Generalkonsulat Istanbul. Den Worten Külünks seien kurz darauf auch schon Taten der türkischen Behörden gefolgt, berichtet Demirci. Das Büro einer der in Istanbul vertretenen parteinahen politischen Stiftung wurde mehrere Stunden lang von Mitarbeitern des Vereinsamtes durchsucht.

Bei seiner Pressekonferenz vor dem deutschen Generalkonsulat habe Külünk auch unmissverständlich deutlich gemacht, dass seine Forderung, deutsche Stiftungen zu beobachten, die Revanche für die Razzien gegen einige DITIB-Predigern sei, die die deutschen Behörden kurz zuvor durchgeführt hatten, verdeutlichte der Stiftungsexperte. „Nur wenige Tage zuvor hatten deutsche Ermittler die Wohnungen von vier Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit dem Vorwurf durchsucht, Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und diese an das türkische Generalkonsulat in Köln weitergegeben zu haben.“

Der württembergische Landesvorsitzende des Moscheeverbandes Ditib, Erdinc Altuntas, hat sich von den Aussagen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan distanziert. „Emotionale Aussagen helfen nicht weiter“, sagte Altuntas der „Heilbronner Stimme“. Den Nazi-Vergleich von Staatspräsident Erdogan hält Altuntas „für nicht nötig und nicht richtig“. Er kann nachvollziehen, welche Reaktionen diese Äußerung in der deutschen Politik bewirkt hat.

Dass die aktuellen Debatten auch die Pläne von Ditib, in Heilbronn eine neue Moschee zu errichten, beeinträchtigen, davon geht Altuntas nicht aus. „Im Augenblick erlebe ich noch keine veränderte Atmosphäre“, sagt der Ditib-Funktionär, der auch Vorsitzender der Heilbronner Gemeinde ist. Die Kosten für den Neubau werden auf mindestens sieben Millionen Euro veranschlagt, zu den Kosten macht Ditib aber bislang keine näheren Angaben. Das Gebäude steht an prominenter Stelle in der Heilbronner Innenstadt. Heilbronner Stimme

„Je mehr die Bundesregierung Integration von einer sozialen zur religiösen Frage verklärt hat, umso mehr hat sie die Verbände wie die DITIB zum begehrten Instrument türkischer Nebenaußenpolitik gemacht. Es ist fatal, dass Bundesinnenminister de Maizière sich weiterhin verzweifelt an die Islamkonferenz und DITIB, die politische Außenstelle Ankaras, klammert“, erklärt Sevim Dagdelen, Beauftragte für Migration und Integration der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des heute tagenden Lenkungsausschusses der Deutschen Islamkonferenz. Dagdelen weiter:

„Das ganze Konstrukt Islamkonferenz war von Anfang an falsch und diente lediglich dazu, Integration zu einer religiösen Frage zu machen. Liberale Muslime hätten in ihrer Community durch eine Integrationspolitik gestärkt werden müssen, die unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder religiösen Herkunft auf gleiche soziale und politische Teilhabe aller hier lebenden Menschen ausgerichtet ist. Ganz im Gegenteil dazu hat die Bundesregierung mit der Islamkonferenz ausgerechnet die immer islamistischer werdenden Kräfte wie den von der Türkei aus gesteuerten Moscheeverband DITIB und damit antisäkulare, antidemokratisch-fundamentalislamische Orientierungen ge- und befördert. DITIB ist für die antisemitische und antichristliche Hetze und ihre Imame für das Ausspionieren von Andersdenkenden in Deutschland bekannt. Es darf keine Kooperation mit Agenten Erdogans geben.“ Partei Die Linke im Bundestag

Volker Beck: „Spitzel-Imame müssen ausgeliefert werden“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck fordert von der türkischen Regierung, vier unter Spionageverdacht stehende Imame nach Deutschland auzuliefern.

„Entweder sorgt der türkische Moscheeverband Ditib für die Überstellung der Verdächtigen, oder er muss die Deutsche Islamkonferenz verlassen. Wenn wir das durchgehen lassen, schaden wir dem Rechtsstaat“, sagte Volker Beck dem Bielefelder Westfalen-Blatt.

„Es kann nicht sein, dass wir mit einem Partner am Tisch sitzen, aus dessen organisatorischer Mutterbehörde in Ankara Spionage angeordnet und hier durchgeführt wird und wonach dann die Verdächtigen außer Landes gebracht werden. Da können wir doch nicht nicht so tun, als sei nichts gewesen“, so Beck weiter.

Der religionspolitische Sprecher der Grünen äußerte die Annahme, dass der Flüchtlingsdeal mit der Türkei der Grund für die Zurückhaltung der Bundesregierung sei. „Seit dem Flüchtlingsdeal hat die Bundesregierung jeden Biss gegenüber Erdogans Türkei verloren. Man traut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Aber so kann das nicht funktionieren. Das ist gefährlich. Wir haben schon jetzt Tausende türkische Flüchtlinge wegen der Repressionen dort. Wir sind nicht gut beraten, Erdogan alles nachzusehen.“ Westfalen-Blatt

Ihre Meinung ist wichtig!

Persönliche Angaben freiwillig! Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.