Innenpolitiker von SPD, FDP und Grünen haben Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aufgefordert, eine eigene Rassismus-Studie über die Polizei in Auftrag zu geben. Es sei „der falsche Weg“, dass der Minister trotz der Aufdeckungen einer Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen „weiterhin stur eine unabhängige Studie ablehnt“, sagte SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel.¹
Zur Forderung von Olaf Scholz nach einer Studie, um mögliche rassistische Strukturen innerhalb der Polizei zu untersuchen, teilt der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Alexander Gauland, mit:
„Olaf Scholz zeigt mit seinem Generalverdacht gegen die Polizei, dass die SPD den Kontakt zur Lebenswirklichkeit ihrer Wähler verloren hat. Die Bürger fürchten sich nicht vor einem angeblichen Rassismus in der Polizei, sondern vor steigender Kriminalität und leiden unter einem schwindenden Sicherheitsgefühl.
Die Forderung von Scholz fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Misstrauensbekundungen der SPD gegen die Polizei. Erst im Juni hatte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken der Polizei pauschal Rassismus unterstellt und der SPD-geführte Berliner Senat gleichzeitig ein umstrittenes Antidiskriminierungsgesetzt beschlossen, das eine Beweislastumkehr bei Anschuldigungen gegen Polizisten vorsieht und damit die Beamten ebenfalls unter Generalverdacht stellt.
Es ist leider zu befürchten, dass sich Scholz und die SPD in der Großen Koalition mit ihrer Forderung nach einer Rassismus-Studie durchsetzen werden. Denn dass Horst Seehofer als zuständiger Bundesinnenminister eine solche Studie bislang ablehnt, heißt nicht, dass sie nicht doch kommt. Zu oft schon hat sich Seehofer als ‚Drehhofer‘ erwiesen und politisch das Gegenteil von dem umgesetzt, was er zuvor versprochen hat.
Dabei ist klar: Unsere Polizei braucht keine Studie, die sie unter Generalverdacht stellt, sondern unser Vertrauen und unsere Anerkennung angesichts der zunehmenden Verachtung und Gewalt, denen sich Polizisten tagtäglich ausgesetzt sehen.“²
Konfliktforscher Zick fordert unabhängige Polizei-Studie
Der Konfliktforscher Andreas Zick hat eine Analyse der rassistischen und rechtsextremen Auffälligkeiten bei der Polizei gefordert. In einem Gespräch mit der Neuen Westfälischen (Montag) sagte Zick, es sei „höchste Zeit für eine unabhängige Studie“. Zick verglich die Situation bei der Polizei mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in den Kirchen. Starke Systeme seien „Systeme, die sich öffnen“.
In NRW stehen 30 Polizistinnen und Polizisten unter Verdacht, in Chatgruppen rechtsextremes Material ausgetauscht zu haben. Die Vorgänge „kollidieren mit den Grundwerten der Polizei“, sagte Zick. Deshalb liege eine unabhängige Studie „in ihrem ureigenen Interesse“. Die Polizei könne „nur profitieren - auch wenn eine Untersuchung zunächst unangenehme Ergebnisse hervorbringt“.
Professor Zick, der das Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld leitet, sprach sich grundsätzlich für eine größere Offenheit der Polizei aus. Die Beamtinnen und Beamten seien „zu stark isoliert von Forschung, Medien und Nichtregierungsorganisationen“. Die Abschottung habe „die Unterwanderung durch Extremisten begünstigt - das wissen wir nicht erst, seitdem die rechtsextremen Chatgruppen aufgeflogen sind“.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW trat dem entgegen. „Die These, Polizisten würden sich in einer abgeschotteten Gemeinschaft bewegen, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun“, sagte der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Michael Maatz der Neuen Westfälischen. Polizisten seien „ganz normale Menschen“, Rassismus und Rechtsextremismus ein „gesamtgesellschaftliches Problem“.³
¹Der Tagesspiegel ²AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag ³Neue Westfälische