Lauterbach lässt sich mit Astrazeneca impfen

SPD-Gesundheitsexperte fordert wegen Ausbreitung der Corona-Mutanten spätere Zweitimpfungen

Der SPD-Gesundheitsexperte und Mediziner Karl Lauterbach wird Ende der kommenden Woche als Impfarzt in einem Leverkusener Impfzentrum arbeiten und dabei den Impfstoff von Astrazeneca verabreicht bekommen. „Ich werde mich dort, wie alle Mitglieder des Impfzentrums, natürlich mit Astrazeneca impfen lassen“, sagte er in einem Gespräch mit dem „Tagesspiegel“: „Wir wollen ein klares Bekenntnis zu Astrazeneca abgeben, das ist ein sicherer und guter Impfstoff.“

Lauterbach spricht sich trotz der weit verbreiteten Skepsis gegen den Impfstoff dagegen auch, die Impfreihenfolge zu ändern oder nicht sofort verwendete Dosen nur an Freiwillige zu verimpfen: „Das würde bedeuten, dass die größten Risikogruppen, also auch Ärzte und Pfleger unter 65 Jahren, länger gefährdet sind.“ Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte betont, er werde sich, wenn er in den nächsten Monaten an der Reihe ist, mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen.

Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, den Impfstoff nur für unter 65-Jährige einzusetzen, „hat offenkundig dem Impfstoff geschadet, viele sehen ihn unberechtigterweise als Impfstoff zweiter Klasse“, kritisierte Lauterbach. „Wir sollten die unter 65-Jährigen weiter nur mit Astrazeneca-Impfstoff impfen“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Um angesichts der Coronavirus-Mutationen und einer möglichen dritten Welle mit dem Impfen schneller voranzukommen und die älteren Bürger schneller zu schützen, macht Lauterbach einen ungewöhnlichen Vorschlag: „Wir sollten stattdessen Folgendes überlegen: Ab dem 14. Tag nach der ersten Dosis von Biontech/Pfizer und Moderna liegt der Schutz bei rund 92 Prozent. Dass der Schutz in den Wochen danach absinkt, ist extrem unwahrscheinlich. Daher könnte man überlegen, die zweite Dosis erst nach sechs oder zwölf Wochen zu setzen“, sagte Lauternach: „Das würde dann viel mehr Menschen der größten Risikogruppen schützen und könnte tausende Leben in Deutschland retten.“¹

Luxusproblem beim Impfstoff - Falsche Skepsis und falsche Erwartungen bei der Eindämmung der Pandemie

Unglaublich, aber wahr: Inmitten der zweiten Welle der Corona-Pandemie wird einer der weltweit so sehnlich erwarteten Impfstoffe in Deutschland zum Ladenhüter. Einige aus dem medizinischen Personal lassen ihre Termine verfallen, wenn man Medienberichten aus einigen Bundesländern glauben darf. Für Senioren sind Termine oft nur schwer zu ergattern.

Der Grund für das Fernbleiben ist erstaunlich: Der Astra-Zeneca-Impfstoff ist nach bisherigen Erkenntnissen etwas weniger wirksam als die zugelassenen Konkurrenzprodukte und er hat bei der ersten Dosis öfter spürbare Nebenwirkungen; bei Biontech/Pfizer soll dies übrigens verstärkt bei der zweiten Dosis der Fall sein. Man fragt sich, was manche Leute eigentlich erwartet haben: ein Wundermittel mit der Stärke von Kamillentee?

Dieser Erwartungshaltung hat allerdings auch die Politik Vorschub geleistet, die lange Zeit suggerierte, dass, wenn erst mal Impfstoffe da sind, Pandemie und Lockdown rasch Geschichte sein werden. Nicht nur wegen des miserablen Impfstarts war dies überzogen. Wirksamkeit und Nebenwirkungen der inzwischen zahlreichen weltweit verfügbaren Impfstoffe werden sich erst im Laufe der Zeit sicher herausstellen.

Allerdings sind die Impfstoffe ein ganz wichtiger Baustein bei der Pandemiebekämpfung, und das gilt weltweit, was trotz der offenkundig ungerechten Verteilung zwischen Nord und Süd gerne vergessen wird. Der in Deutschland seit Wochen gepredigte Impfnationalismus nach der Devise „Wir müssen uns so viel Impfstoff wie möglich sichern“ - innerhalb der EU und gegen den Rest der Welt - scheint nun auch noch eine neue Form von Impfskepsis zu befördern. Das Motto lautet: Ich will nur das allerbeste Produkt. Der Schutz vor einer Covid-19-Infektion wird so zum Luxusproblem.²

¹Der Tagesspiegel ²nd.DerTag / nd.DieWoche

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