Bundesverkehrsminister Scheuer warnt vor Massenarbeitslosigkeit in der Automobilbranche

Auto- und Zuliefersektor steht massiv unter Druck

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat vor den Folgen der Coronavirus-Pandemie in der Automobilbranche gewarnt.

„Wir brauchen jetzt das Schützen und Stützen in einer Nach-Lockdown-Phase, damit wir nicht in die nächste Krise hineinschlittern und die Krise heißt dann Massenarbeitslosigkeit“, sagte der CSU-Politiker heute im ARD-Mittagsmagazin. Das Zeichen „made in Germany“ und die Wirtschaft in Europa müsse geschützt werden: „Wenn sie scheitert, dann werden wir auch mit vielen, vielen Arbeitslosen zu rechnen haben und dann machen es andere und nicht wir.“

Die Bundesregierung müsse in der aktuellen Wirtschaftslage versuchen, Jobs zu erhalten. „Ich weiß, es ist vielleicht nicht so en vogue, über den Verbrennungsmotor und die Unterstützung des Verbrennungsmotors zu reden“, verteidigte Scheuer seinen Vorstoß, den Kauf solcher Autos staatlich zu fördern. „Das ist überhaupt nicht Retro, weil wir erstens an die vielen hunderttausenden von Arbeitsplätzen denken, an die Familien, die an diesen Jobs dranhängen und an eine Schlüsseltechnologie in Deutschland.“

Alle Antriebsarten müssten unterstützt werden - inklusive synthetischer Kraftstoffe. „Meine Strategie war immer, technologieoffen zu bleiben, dass wir uns keine Tür zu schlagen, nicht allein Elektromobilität.“ Die Bundesregierung habe bereits Milliarden Euro in die Ladeinfrastruktur und die Kraftstoffstrategie investiert. „Wir reden jetzt über die Umsetzung. Da müssen wir noch stärker zulegen bei der Ladeinfrastruktur.“¹

Ein Wandel mit Härten

Die Wirtschaft muss den Wandel umsetzen, die Politik ihn flankieren.

In Berlin wurde eifrig beraten, in Regensburg schlug die Krisenrealität knallhart ein: So lassen sich die Ereignisse rund um die Automobil- und Zulieferbranche von dieser Woche knapp umreißen. Während die Bundestagsfraktionen von CDU, CSU und SPD bei ihren Auftaktklausuren nach der Sommerpause noch an ihren jeweiligen Positionen in der Industriepolitik feilten, sind in der Oberpfalz düstere Fakten geschaffen worden. Der Zulieferer Continental und zweitgrößte Arbeitgeber in Regensburg streicht 2100 Jobs. Beim Elektronikspezialisten Hella verlieren alle 58 Mitarbeiter durch Standortschließung ihre Anstellung. Für die Betroffenen fallen damit Einkommen und Sicherheiten weg, ihre Familien aber müssen weiter versorgt, Mieten, Fix- und Alltagskosten bezahlt werden. Das sind reale Härten. Die Sorgen sind groß.

Die neu aufgelegten Konzepte der Regierungsparteien können diese Verluste nachträglich nicht mehr aufwiegen. Auch die bereits beschlossenen Maßnahmen von Kurzarbeit über Stabilisierungsfonds bis hin zum großen Konjunkturpaket konnten den Jobabbau in der Region nicht verhindern. Bei den betroffenen Beschäftigten mag der Eindruck entstehen, dass die politischen Antworten zu spät kamen. Dabei ist es allerdings wichtig, sich die vielschichtigen Gründe genauer anzuschauen.
Die Lage im Auto- und Zuliefersektor ist speziell, der Druck auf vielen Ebenen groß. Da ist die anhaltende Transformation, die die Industrie bereits vor der Corona-Krise strapazierte. Die Digitalisierung, Automatisierung und der Vormarsch von Robotern verändern Arbeitsabläufe und führen dazu, dass vor allem in der Produktion viele Aufgaben an Maschinen übertragen werden. Hinzu kommt, dass sich Antriebstechnologien wandeln - und das ist im Sinne des Klimaschutzes auch wünschenswert und wichtig. Die aktuelle Krise und die mit ihr verbundenen Exporteinbrüche haben all diese Prozesse verschärft, alleinige Ursache aber sind sie sicherlich nicht.

Nun kann man den Regierungsparteien nicht den Vorwurf machen, sie hätten die Probleme dieser Branche und ihrer Beschäftigten nicht erkannt. Die Frage ist allerdings: Wird angemessen reagiert? CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder sagte am Donnerstag in Berlin, dass bei dem anhaltenden Wandel „auch Fehler gemacht worden“ sind. Diese Analyse trifft zu, aber sie fällt auch auf Söder selbst zurück. Denn die Politik, in Bayern wie in Berlin, sollte die tiefgreifende Transformation vorausschauend begleiten. Die nun forcierten Investitionen in Forschung und Entwicklung, in alternative Antriebe wie E-Mobilität oder Wasserstoff, in die Förderung von klimafreundlichen Technologien und Digitalisierung und auch in Fort- und Weiterbildung hätten viel früher und viel energischer kommen müssen. Die Wirtschaft muss den Wandel umsetzen, flankieren aber muss ihn die Politik. Dazu braucht es proaktive Schritte und nicht nur Reaktion.
Auffällig ist, wie der Strukturwandel der Industrie auch Strukturen im Politischen auf die Probe stellt. Die IG Metall, traditionell eng verbunden mit der SPD, war in dieser Woche in Person ihres Ersten Vorsitzenden Jörg Hoffmann zu Gast bei der CSU-Klausur. Die Christsozialen haben der Industriegewerkschaft mit ihrem erneuten Vorstoß für eine „Kaufprämie für saubere Verbrenner“ einen Gefallen getan. Umgekehrt ist das Verhältnis der IG Metall zur SPD wegen deren Nein zur Autoprämie stark angekratzt. Der politische Kampf um die Gunst der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter ist in vollem Gang.

Doch Hand aufs Herz: Im Angesicht dieses tiefgreifenden Wandels wäre eine Verbrenner-Prämie kein Schritt nach vorne, sondern eine Rolle rückwärts. Dieses Instrument würde auch nicht dazu dienen, die Härten der Transformation zu verhindern. Nun muss es darum gehen, die Nöte der Beschäftigen ernst zu nehmen, Härten abzufedern und den Wandel trotzdem weiter zu gestalten. Das ist eine große Aufgabe für Politik und Wirtschaft, keine Frage. Aber eine, die sich nicht umschiffen lässt.²

¹Rundfunk Berlin- Brandenburg ²Jana Wolf - Mittelbayerische Zeitung

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